Thailand, ehemals Siam

One Night in der Stadt der Engel

Seit nunmehr knapp 2 Wochen darf ich Gast sein im mit Sonnenschein gesegneten Thailand und ich muss feststellen, dass das ewige Lächeln, die allzeit gute Laune der Thai gehörig irritierend auf mich  alten Griesgram wirkt. Das Sprichwort mit dem Sack hab ich wieder gelöscht, das wäre dann doch übertrieben.

Erst kürzlich hab ich mich einer sehr geschätzten Kollegin gegenüber begeistert gezeigt, ob der – im Vergleich mit good old Austria – gefühlt und beobachtbar niedrigeren Stressbelastung der thailändischen, im Speziellen auch der Bangkok’schen Bevölkerung. Im selben Satz meinte ich, dass die Menschen hier nicht so von Perfektionismus getrieben ihre Arbeit verrichten wie bei uns, und dass das öffentlich wirtschaftliche Leben hier trotzdem bestens funktioniert. Es gibt keine noch so kleinen Anzeichen von totalem Systemzusammenbruch. Ich war erstaunt darüber, dass auch eine nicht von Höchstleistungsdenken, Gewinnmaximierung und Sanktionen geprägte Arbeitswelt derart effizient erscheinen mag.

Seither sind einige Tage vergangen und meine Meinung ist etwas differenzierter, wie besonders aufmerksame Leser bereits zwischen den Zeilen erkennen haben können. Böse Zungen würden mich an dieser Stelle als meinungsinstabil bezeichnen, man könnte liebevoller auch von bereits geglückter Tempoanpassung ans Thai-Leben sprechen. 

Ich erzähl‘ Euch jetzt mal, wie das so ist hier mit dem Lächeln und dem Stress und der Sonne und so.

Thai sind Schlitzohren. Sie zeigen nie ihr wahres Gesicht. Gefühle werden verborgen. Zumindest jene, welchen nicht ausschließlich eine positive Bedeutung zugeschrieben wird bzw. deren Ausdruck angreifbar macht, z. B. Zorn, Enttäuschung, Trauer, Liebe etc. Tarnen und täuschen steht an der kollektiven Tagesordnung. So wird man nur ganz selten eine Thai beobachten können, die liebevoll ihren Mann auf einer Parkbank küsst.

Es wird nicht passieren, dass man zwei diskutierende Männer am Street-food-Stand erlebt, die emotional ihre verschiedenen Meinungen über die Entscheidungen des ach so schlechten Kampfrichters des letzten Muay-Thai-Kampfes kundtun.

Man wird keiner offensichtlich genervten Mutter im Restaurant begegnen, weil die Nachkommenschaft sich unaufhörlich die sprichwörtliche Seele aus dem Leibe plärrt.

Verspätet man sich um eine akademische Stunde, so wird das mit einem Lächeln quittiert. 

Auf die Frage, wie ich mir denn die Arbeitswelt hier in Thailand vorstellen müsse, antwortete mir ein in Bangkok für einen internationalen Konzern als Programmierer arbeitender Deutscher, dass er neben seinem Schreibtisch stets eine Gitarre griffbereit habe. Wenn sein Vorgesetzter das Büro betritt, während er darauf spielt, wechselt er maximal den Akkord. Es gibt ohnehin keine Konsequenzen, die zu befürchten wären. Verantwortungsbewusstsein, Verlässlichkeit, Engagement – nicht unbedingt Thaitugenden.

Was ist hier los?  Die Ursachen scheinen mir sehr komplex zu sein.

Einerseits spielt sicher die Religion mit eine Rolle. Ja, schon wieder die, sorry. Im Buddhismus geht es schließlich ums Sammeln guten Karmas. Und mit Streit, Wut, Zorn und dergleichen lassen sich nun mal nicht viele Karmapunkte einheimsen. Das nächste Leben und die Qualität desselben hängen schließlich vom jetzigen ab. Wer will schon als Wurm an den Start gehen?

Hinzu kommt, dass die Bevölkerung des Königreiches Thailand nicht dahingehend unterrichtet und erzogen wird, im Gegenteil. Schuluniformen bringen zum Ausdruck, dass sich alle gleich, nämlich angemessen zu präsentieren haben. Angemessenheit bedeutet, Gefühle nicht öffentlich zur Schau zu stellen. Dies gilt als Schwäche.

Auch ist gemeinhin unerwünscht, andere mit den eigenen Problemen und Sorgen zu belasten. Somit bleiben die Betroffenen für gewöhnlich mit ihnen alleine. Thai lernen also auch kein zwischenmenschliches Verständnis, keine Empathie. Dafür aber, wie man ein vermeintlich schönes und problemloses Nebeneinander lebt.

Sicher spielt auch die Geschichte des Landes mit eine Rolle, für dieses auf den ersten Blick reibungslose Zusammenleben. Thai wurden jahrhundertelang unterdrückt. Von gottgleichen Königen und deren Handlangern. Der einzelne Mensch, das Individuum, zählte nichts. Als Auswirkung all der Brutalität und Willkür im siamesischen Reich zogen sich die Menschen nach und nach in eine Apathie zurück und machten gute Miene zum bösen Spiel. (Übrigens herrschen angeblich teilweise immer noch Diktatur-ähnliche Zustände. Was man hier aber nicht einmal hinter vorgehaltener Hand aussprechen darf.)

Soviel zu dem, was mich bislang am meisten in Thailand in Staunen versetzt hat. Wer Auswanderungsgedanken ins Land des Lächelns hegt, ist gut beraten, sich zuvor ausführlich über die thailändische Kultur zu informieren. Das Leben hier ist völlig anders, für uns Mitteleuropäer unbekannt und nur sehr schwer nachvollziehbar. Es brauchte eine ausgeprägte Anpassungsfähigkeit, um sich hier langfristig wohlfühlen zu können. Thai machen es einem Farang, also einem Ausländer mit weißer Hautfarbe, nicht leicht, sich zu integrieren. Meer, Inselwelt, Sonne, Street-food, lächelnde Menschen, Elefanten, Papayas sind nach einigen Wochen im Alltag vielleicht nicht mehr ganz so wichtig. Für uns Reisende aber, die wir nicht vorhaben zu bleiben, macht all das die Tage hier schon sehr süß.

Wat Pho, Tempel des liegenden Buddhas
Bananen vom Rost, Chinatown, Bangkok
Erste Nachtbusfahrt: Von Bangkok nach Khao Lak
Tuk Tuks vor dem Hauptbahnhof Hua Lamphong
Eingewachsener Buddhakopf im Historical Park in Ayutthaya
Ronald McDonald begrüßt alle Gäste mit dem Wai, der traditionellen thailändischen Gruß- und Respektsbezollung
Wat Arun, Tempel der Morgenröte,  Bangkok
Nachtmarkt von Talad Rot Fai, einem der sehenswertesten Nachtmärkte Bangkoks
Sonnenuntergang am Strand auf Koh Kood
Päuschen in einem Shopping Tempel
Tempelwächter,  welche als Yak (🤔) bezeichnet werden
Illustre Tauchbuddie-Gruppe, teils noch mit Maskenabdruck vom letzten Tauchgang im Similian-Nationalpark im Gesicht.
Street-food-Stände in Bangkok am frühen Morgen

 

8 Antworten auf „Thailand, ehemals Siam“

  1. Ein Hallo aus dem kalten Westen
    Ich muss sagen die Tauchbuddie-Gruppe lächelt viel mehr als die Arbeiter(innen) an den Streetfood Ständen.
    Eine Frage welches Instrument wünscht du dir für das Backstubenteam?

    Ganz liebe Grüße Rosi

    1. Ja, stimmt. Das seltsame Grinsen bei manchen kommt wohl vom ganzen Stickstoff, der noch nicht aus den Körpern entwichen ist. 😉
      Bezüglich Instrument möchte ich feststellen, dass es da mehr als eines bedarf. Ihr seid schließlich wie ein Orchester, das durch das harmonische Zusammenspiel so klasse ist.
      Liebe Grüße aus dem Norden Thailands!

  2. Ganz ganz tollen Bilder deine Berichte die du schreibst kommt mir schon vor als wäre ich vor Ort !!!!!Wünsche dir noch viele schöne Monate!! Liebe Grüße von uns beiden

  3. Dein Bericht ist sehr ausführlich und informativ. Du hast Dich sichtlich sehr mit dieser Kultur beschäftigt. Wir waren zwar auch dort, aber als normaler Tourist sieht man das wahrscheinlich etwas anders. Weiterhin viel Spass und vor allem tolle Erlebnisse!
    Alles Liebe!

    1. Liebe Gina, lieber Fritz, ich freu mich, von Euch zu lesen! Wahrscheinlich habt Ihr recht. Man hat auf einer Langzeitreise ja auch mehr Zeit (und Lust?), sich mit solchen Dingen auseinanderzusetzen.
      Ganz liebe Grüße, Harald

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