Elephant Nature Park, Chiang Mai

 

Eine Herde quert den Fluss im Park

Zu den Pflichtaktivitäten eines jeden Reisenden nach Thailand gehört es, einem oder besser gleich mehreren Elefanten – möglichst hautnah – auf die Pelle zu rücken. Wo sonst hat man denn heutzutage noch die Gelegenheit dazu? Rund um solche Begegnungen und Erfahrungen hat sich in Thailand eine boomende und gewinnbringende Industrie entwickelt. Nur die Elefanten selbst gehören nicht zu den Gewinnern. Sie werden oft im Alter von 3-4 Jahren von ihren Müttern getrennt, was für beide traumatische Folgen hat, da weibliche Elefanten für gewöhnlich auch im Erwachsenenalter bei der Herde bleiben, und auch männliche Jungtiere erst im pubertierenden Alter, also im zweiten Lebensjahrzehnt, eigene Wege zu gehen pflegen. Für die Muttertiere kommt es oft noch schlimmer, da sie die Charaktereigenschaft haben, ihre Nachkommen nur höchst ungern von Menschen entführen zu lassen. So verteidigen und kämpfen sie um ihre Sprösslinge, was zur Folge hat, dass die Entwendung derselben oft mit der Tötung der Muttertiere einher geht.

Für die Jungen beginnt nun ein neuer Lebensabschnitt. Es heißt, für die künftigen Aufgaben das Rüstzeug zu erlangen. Das Training hierfür findet nur selten durch positive Konditionierung statt. Im Gegenteil, mit Ketten, so genannten Elefantenhaken, Steinschleudern, Holzstöcken etc. wird der Wille der jungen, noch vergleichsweise leicht formbaren Dickhäuter nach und nach gebrochen. Viele Tiere begleiten ihre daraus erlittenen Verletzungen ein langes Elefantenleben lang. Leben, in welchen dann – oft mit reichlich Kopfschmuck dekoriert – Touristen durch die Gegend getragen werden oder Kunststücke in Shows aufgeführt werden. Auf jeden Fall kein Lebensverlauf, den ein Elefant freiwillig wählen würde.  Elefanten sind schließlich Wildtiere, die durch die südostasiatischen Wälder streifen, meist auf der Suche nach Nahrung. Immerhin benötigt ein ausgewachsener Elefant rund 400 kg an Nahrung, wodurch die Tiere noch mehr Zeit mit der Futteraufnahme beschäftigt sind, als scheinbar immer kauende Kühe.

Die laufend steigende touristische Nachfrage lässt die Anzahl an in Gefangenschaft lebender (oder wollen wir es etwas weniger problembehaftet domestiziert nennen?) Elefanten in die Höhe schnellen. Die Urlauberzahlen in Thailand verdoppelten sich zwischen 2010 und 2016 von 16 auf 32 Millionen. Laut World Animal Protection führte dies zu einer Zunahme an touristisch genützten Elefanten um 30% von rund 1.700 auf 2.200 Tiere. Damit werden bereits mehr Elefanten für die Tourismusindustrie eingesetzt, wie es in Thailand noch wild lebende Elefanten gibt. Der Gesamtbestand lag am Beginn des 20. Jahrhunderts übrigens noch bei ca. 100.000 Tieren.

Das ganze Ausmaß des Elefanten-Dilemmas ist jedoch viel größer, man könnte es gar ein Trilemma nennen: So wurde in Thailand vor 20 Jahren die Rodung der Wälder und somit die Zerstörung des Lebensraumes der Elefanten verboten. Eigentlich ein Grund für ein Freudenfeuerwerk. Nur war eben das paradoxerweise bis dato das Haupteinsatzgebiet von domestizierten Elefanten. Plötzlich waren viele viele Tiere per Gesetzesverordnung arbeitslos und mussten nicht mehr die harten Arbeiten der Holzwirtschaft erledigen.  Da die Anschaffung wie auch die Haltung eines Elefanten aber nicht gerade günstig ist, waren die Mahuts, das sind die für die Haltung und Pflege verantwortlichen Personen, von nun an gezwungen, sich andere lukrative Einsatzgebiete zu überlegen. Womit wir wieder beim Tourismus wären. Man läge mit der Meinung, dass Elefanten heutzutage vom Tourismus abhängig sind, nicht gänzlich falsch, da dieser die benötigten Einnahmen für ihre Fütterung und zumindest die Möglichkeit, tierärztliche Betreuung erhalten zu können, gewährleistet.

Unnötig zu erwähnen, dass die freie Wildbahn das einzig Richtige wäre für jene, die Sebastian Kurz – was die Dimensionen der Ohrwaschln anbelangt – wie einen räudigen Windhund verblassen lassen. Allerdings haben auch die dort Verbliebenen kein sorgenfreies Leben. Sie befinden sich als herum ziehende Nomaden in einem ständigen Konflikt mit dem Menschen, da es nur noch wenige, zusammenhängende Waldgebiete gibt, die ausreichend Nahrung für die Tiere bieten. So nähern sie sich immer wieder menschlichen Siedlungen, was im schlimmsten Fall zum Tod durch die Hand von Feld und Futter verteidigenden Menschen führen kann. Von Elfenbeinhandel gar nicht zu sprechen.

Was aber heißt das nun für Thailandreisende, gibt es ein Richtig und ein Falsch? Das muss jeder für sich selber abwägen. Ich habe mich für den Besuch im Elephant Nature Park nahe Chiang Mai im Norden des Königreichs entschieden und habe sämtliche anderen touristischen Angebote abgelehnt. Der Park ist meiner Meinung nach einer der wenigen, wenn nicht der einzige, welchen Nachhaltigkeit und das Wohlergehen der dort lebenden Tiere wichtig zu sein scheint. Mehr noch: Im Park leben vorwiegend aus erbärmlichen Lebensumständen gerettete Arbeits-, Show- und Bettel-Elefanten. Dabei zielte die Ausrichtung nach der Gründung 1998 ebenfalls auf touristische Nutzung wie in anderen Parks ab. Die Elefanten mussten Kunststücke aufführen, die Besucher klatschten vor Freude enthusiastisch, der Höhepunkt war erst droben auf dem Rücken der Tiere erreicht. Die Gründerin und Landbesitzerin, Sangduen Chailert, richtete zumindest von Anfang an einen für Touristen abgeschirmten Bereich ein, in welchem verletzte Tiere gepflegt und medizinisch versorgt wurden, was auch heute noch keineswegs zum Standard in all den anderen Elefantencamps gehört.

Sangduen Chailert setzte sich mit Fortdauer mehr und mehr für das Wohlergehen und gegen die Misshandlung und Ausrottung der Dickhäuter ein. Ihre Kampagnen brachten ihr Morddrohungen gleichermaßen ein wie Ruhm und Anerkennung unter Gleichgesinnten. Elefantenreiten wird im Park schon lange nicht mehr angeboten. Die Tiere müssen auch keine Kunststücke mehr aufführen. Derzeit leben ca. 70 Tiere im Nature Park, es gibt auch schon einige wenige im Park geborene Babyrüsseltiere, welche sich auf ein weitestgehend artgerechtes Semi-wild-Life freuen können.

Der Park ist natürlich trotzdem auf Einnahmen angewiesen, da das Betreiben einige Hunderttausend Euro pro Jahr kostet. Als Kompromiss dürfen zahlende Besucher die Elefanten füttern und ihnen in der brütenden Mittagshitze beim Baden im Fluss assistieren, was meiner Meinung nach von den Tieren weniger begrüßt als vielmehr toleriert wird. Jeweils ein Eimer voll mit leckeren Früchten scheint mir dafür da zu sein, die Tiere währenddessen ruhig und lange genug verweilen zu lassen. Und trotzdem: Für mich ist der Besuch nicht nur vertretbar, man unterstützt damit außerdem den Erhalt des Parks und die Möglichkeit, dass weitere Elefanten aus Gefangenschaft und meist unvorstellbaren Lebensbedingungen gerettet werden können.

Babyelefant, stets voll der Neugierde und des Entdeckungseifers
Elefanten sind Vegetarier. Ein ausgewachsenes Tier vertilgt rund 400 kg Grünzeug plus Obst pro Tag.
Diese Elefantenkuh behindert ihr Bein stark, das durch die Misshandlungen ihres Mahuts gebrochen und entzündet ist. Sie kann sich nur unter Zuhilfenahme ihres Rüssels auf den Beinen halten. Es wird bereits an einem „Pool“ für sie und Leidensgenossen gegraben, um das Bein durch die Tragkraft des Wassers entlasten zu können, was eine Heilung erst ermöglicht.
Grausamkeiten wie diese und andere mussten nahezu alle Elefanten im Nature Park erleiden. Mae Perm ist mittlerweile leider verstorben, Jokia kann sich seither aber auf die Unterstützung einer anderen Elefantenkuh verlassen. Auf den Namen Mae Perm reagiert Jokia immer noch.
Jokia und ihre Sehhilfe
Auch Elefantenbabys wissen sehr gut, wie sie die ungeteilte Aufmerksamkeit der Gäste auf sich ziehen können.
Der Rabauke wirkt manchmal völlig harmlos und ruhig und täuscht gelungen über sein wahres Temperament hinweg.
Bananendepot für die Unersättlichen
Jokia an der Kratzstelle
  • Sangduen Chailert, die Gründerin des Parks

      Jokia und ich. Uns beide eint, dass wir aufgrund der Kapazität unserer Gehirne nie und nichts vergessen. Mehr oder weniger halt.

    Wie viele Tränen kullerten bereits aus diesem Auge?

https://www.elephantnaturepark.org

 

6 Antworten auf „Elephant Nature Park, Chiang Mai“

  1. Ein Hallo
    Diese Falten können sicher sehr viel erzählen.
    Und diese Sangduen Chailet zählt wahrscheinlich auch schon zu den Dickhäutern . Es sind sehr oft die Damen, die sehr Nachhaltiges auf die Beine stellen, Hut, Haube ab vor dieser Persönlichkeit.
    Ganz liebe, warme, sonnige Weihnachten in die Ferne

    Rosi

    1. Ganz Deiner Meinung, Rosi! Es kann durchaus sein, dass ich in absehbarer Zeit außerdem sogar mein Toupet vor dieser Frau ziehe. Da kann man sich was abschauen. Aber Du hast ja bereits einen ähnlichen Weg eingeschlagen. Wünsch Dir ruhige Vorweihnachtstage!

  2. Hallo,
    ich verfolge immer wieder deine Reiseberichte und finde sie super und sehr lehrreich für mich. Auch deine Bilddokumentationen sprechen Bände.

    Ich gratuliere dir auch noch nachträglich zu deinem Geburtstag und wünsche dir schöne Weihnachten in der Ferne.
    Ganz liebe Grüße von mir.
    Elfi

    1. Lieben Dank, Elfi!
      Nur, lese meine Berichte bitte kritisch! Ich geb ja nur meine Erfahrungen, Erlebnisse und erhaltenen Informationen weiter, ohne Gewähr auf Richtigkeit. Wenngleich ich mir natürlich Mühe gebe, keine Unwahrheiten zu verbreiten.
      Freu mich jetzt schon auf ein Wiedersehen, weihnachtliche Grüße aus dem frischen Norden von Laos!

  3. Wir wünschen dir aus dem ebenfalls ziemlich frischen Mostviertel ein schönes Weihnachtsfest. Sind schon neugierig wie du es feiern wirst. Alles Liebe bleib gesund
    Sabine und Franz

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